Nachrangdarlehen ade? Urteil stellt Crowdfunding-Instrument in Frage

9. September 2016

Das erstinstanzliche Urteil des Landesgerichts Graz (35 Cg 153/15t) hat in der Crowdfunding-Community Wellen geschlagen und die Frage aufgeworfen, ob Nachrangdarlehen noch zulässig sind.

Zum Fall: Die Beklagte betreibt ein Unternehmen für erneuerbare Energie und Photovoltaik und bot Verbrauchern ein darlehensartiges Anlageprodukt an. Der VKI klagte auf die Unterlassung der Verwendung gröblich benachteiligender Allgemeinen Geschäftsbedingungen, darunter die Nachrangigkeitsklausel.

Sogenannte „qualifiziert nachrangige Darlehen“ sind inzwischen beliebte Crowdfundinginstrumente geworden und wurden vom Gesetzgeber im im Alternativfinanzierungsgesetz 2015 (AltFG) ausdrücklich als alternatives Finanzierungsinstrument verankert. Dies geschah systematisch im Einklang damit, dass solche qualifiziert nachrangigen Darlehen keine Bankgeschäfte iSd Bankwesengesetzes darstellen und ohne Bankkonzession vergeben werden können.

Wegen dieser qualifizierten Nachrangigkeit wird der Anleger im Insolvenzfall erst gegen Ende der Vermögensverteilung berücksichtigt: zuerst werden andere Gläubigern (wie Banken oder Lieferanten) bedient. Im Ergebnis erhält ein solcher Crowdinvestor also meistens im Insolvenzfall nichts. Im seltenen Fall, dass nach der Befriedigung der (nicht nachrangigen) Gläubiger etwas übrig bliebe, würde ein qualifiziert nachrangiges Darlehen als Fremdkapital bei der Verteilung im Insolvenzfall immerhin noch vor dem Eigenkapital berücksichtigt werden.

Das LG Graz beurteilte nun mehrere Klauseln in den AGB dieses Crowdfundinginstruments als gröblich benachteiligend, vor allem eben auch die Nachrangvereinbarung. Es sah durch die Nachrangigkeit eine Schlechterstellung des Verbrauchers, für die es „keine sachliche Rechtfertigung“ gebe. Außerdem sei die Klausel gröblich benachteiligend, weil das „unternehmerische Risiko auf den Darlehensgeber im Umfang der Finanzierung übertragen wird“ und er „in keiner Weise am unternehmerischen Erfolg der beklagten Partei partizipiert“.

Ganz überraschend hielt das Erstgericht fest, dass die „gesetzliche Anerkennung nachrangiger Darlehen durch das „AltFG“ derartige Bestimmungen nur dann [rechtfertigt], wenn die konkrete vertragliche Regelung die einzige Möglichkeit darstellt, derartige gesetzliche anerkannte Finanzierungsformen umzusetzen“ (Hervorhebung durch den Autor).

Diese Pauschalierung, dass die qualifizierte Nachrangigkeit nur „ultima ratio“ sein dürfe, ist überraschend und problematisch.

Mag in einer Gesamtschau der Anlagebedingungen dieses konkrete Anlageprodukt gröblich benachteiligend gewesen sein – und das wird der Instanzenzug klären – kann die Nachrangigkeit per se kein Indiz für eine gröbliche Benachteiligung sein. Die Entscheidung des LG Graz geht zu weit und ist auf den konkreten Anlassfall zu beschränken.

Das AltFG verankert das qualifizierte Nachrangdarlehen ausdrücklich als Finanzierungsinstrument. Der Gesetzgeber sah keine „ultima ratio“ Abwägung, gar „Rangordnung“ der alternativen Finanzierungsinstrumente vor. Die Argumentation des Gerichtes ist nicht nur contra legem, sondern widerspricht einem besonders rezenten und konsensual zustandegekommenen Gesetz.

Nachvollziehbar ist hingegen die Wertung des LG Graz, dass ein Finanzierungsinstrument einer Gesamtschau unterzogen werden muss, und Risiko und Ertrag (risk-return) abzuwägen sind und nicht vollkommen außer Balance geraten dürfen.

Insofern wirklich alles Risiko auf den Verbraucher überwälzt würde und dem „in keiner Weise“ Erfolgspartizipation gegenüberstünde, ist die gröbliche Benachteiligung in der Gesamtschau klar. Die bloße qualifizierte Nachrangigkeit hingegen kann ohne Weiteres risikoadäquat vom emittierenden Unternehmen kompensiert werden. So ist die angemessene Rendite von Mezzaninfinanzierungen (und ein qualifiziert nachrangiges Darlehen ist nichts anderes) gegenüber einem höherrangingen (also nicht nachrangigem) oder gar besicherten Darlehen typischer Weise einfach höher: höheres Risiko, höherer Ertrag.

Die Frage der Ausgewogenheit von Ertrag und Risiko ist allerdings in den meisten Fällen eine wirtschaftliche Frage im Kontext der konkreten makro- und mikroökonomischen Rahmenbedingungen, also eine Tatsachenfrage, die allenfalls von einem Gutachter zu klären ist, und mit Ausnahme offenkundiger Schieflagen keine Rechtsfrage, die das Gericht durch einen Blick in die rechtliche Literatur oder Judikatur beantworten kann.

So ist also das erstinstanzliche Urteil des LG Graz nicht nur dahingehend rechtlich unrichtig, dass die Nachrangigkeit nur zulässig ist, „wenn die konkrete vertragliche Regelung die einzige Möglichkeit darstellt, derartige gesetzliche anerkannte Finanzierungsformen umzusetzen“, sondern unterliegt möglicherweise auch einem Feststellungsmangel (im Sinne eines sekundären Verfahrensfehlers), wonach die Tatsachen, die zur Beurteilung der wirtschaftlichen Unausgewogenheit notwendig wären, vom Erstgericht nicht hinreichend festgestellt und die dafür notwendigen Beweise erörtert und gewürdigt wurden.

Mit anderen Worten: das Gericht muss nicht nur die AGB im Einzelfall einer Gesamtschau unterziehen, sondern auch den konkreten wirtschaftlichen „Risk-Return“ Kontext darstellen: hier spielt vor allem das emittierende Unternehmen selbst eine entscheidende Rolle bei der Risikobeurteilung.

Sollte dieses Urteil rechtskräftig werden, wäre durch seine Folgewirkungen einer gesetzlich anerkannten und zeitgemäßen Finanzierungsform der praktische Anwendungsbereich entzogen: Das Nachrangdarlehen, aber gerade auch andere qualifiziert nachrangige alternative Finanzierungsinstrumente (wie Genussscheine oder stille Gesellschaften) stellen gerade für kleinere und mittlere Unternehmen eine beliebte und wichtige Form der Kapitalbeschaffung dar. Auch für Anleger bietet sich mit diesem Finanzierungsinstrument eine Alternative zu konventionellen Anlageprodukten, wo bei entsprechend höherem Risiko auch höhere Zinsen bezahlt werden und/oder eine Partizipation am Wertanstieg möglich ist.

Gerade bei finanziellen Trends und modernen Investitionsformen ist es die vornehmste Aufgabe der Gerichte, unfaire Deals von wirtschaftlich stärkeren Parteien in die Schranken zu weisen: auch Crowdfunding Plattformen und Emittenten werden bei der Gestaltung von Investitionsprodukten nicht vermeiden können, Kleinanlegern faire Deals anzubieten: in der Gesamtschau.

 

RPCK Rastegar Panchal beschäftigte sich als eine der ersten Rechtsanwaltskanzleien in Österreich mit alternativen Finanzierungsinstrumenten (von Crowdfunding über alternative Private Placement Frühphasenfinanzierungsinstrumente) und berät seit Jahren Unternehmen und Start- ups bei der Finanzierung über den gesamten Investitionszyklus. Dafür wurde RPCK im JUVE Ranking 2016 als „einer der anerkanntesten Adressen für Wachstum- und innovative Finanzierung in Österreich“ mit „Innovationsvorsprung“ bezeichnet.

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