Eine Reformswunschliste

12. April 2013

Mobiliarpfandregister einführen.

1.1. Vereinfacht können Geldgeber nur Liegenschaften (Immobilien, Real Property) eines Unternehmens effektiv und nach Rängen besichern, da es ein Grundbuch (Immobilienpfandregister) gibt. Ein Pfandrecht (Security Interest) an beweglichen Sachen (Mobiliar, Personal Property) wird hingegen durch „Übergabe“ begründet.

1.2. Damit können die meisten Assets eines Unternehmens nicht als Sicherheit für Geldgeber dienen, weil sie nicht beim Unternehmen zur Weiterbewirtschaftung stehengelassen werden dürfen. Stehenlassen (Besitzkonstitut) gilt eben nicht als „Übergabe“.

1.3. Die „gläubigerschützende“ Idee ist, dass ein Geldgeber sonst nicht wissen kann, ob eine Sache bereits verpfändet ist. Dieses „Faustpfandprinzip“ ist archaisch und wurde selbst in der römischen Hochklassik (Marcellus) wirtschaftlich sinnvoller gelöst. Gläubiger wollen alle unternehmerischen Assets besichern, nicht es zu ihrem eigenen Schutz nicht dürfen.

1.4. Deshalb stehen österreichische Unternehmen national und im internationalen Vergleich, selbst im CEE, isoliert als für Geldgeber (Banken, Investoren) unattraktiv dar, da wesentliche unternehmerische Assets nicht in Rängen besichert werden können.

1.5. Gläubiger und Unternehmen wollen Mobiliar am liebsten unspezifisch verpfänden („all asset liens“ oder „floating charges“) anstatt einzeln und jedenfalls in Rängen mit klaren Prioritätsregeln. Moderne Systeme haben genau das: gut funktionierende Mobiliarpfandregister mit „all asset“ Registrierung und praktisch relevanten Regeln zur Drittwirkung (Perfection) und Rangordnung (Priority).

1.7. Das Fehlen eines modernen Mobiliarpfandrechts ist die Wurzel unseres unternehmerischen Wettbewerbsnachteils. ABL (asset backed lending), das Rückgrat einer funktionierenden Wirtschaft und die Vorstufe eines entwickelten Bankensystems. Man stelle sich eine Wirtschaft ohne Grundbuch vor: dort stehen wir.

1.8 Die erste nähere Diskussion war Mitte letztes Jahrzehnt, ein paar Pressebeispiele: OeJournal 2006, Standard 2008, Wirtschaftsblatt 2008, Örak 2006. Dafür sprachen sich Wissenschaft, Anwaltschaft, Notariat, UNCITRAL aus. Aktive Rechtswissenschaftler waren u.a. Professoren Schauer (Wien), Rechberger (Dekan Wien) und Lukas (Dekan Linz). Der Arbeitsgruppe des Ludwig-Boltzmann-Instituts gehörten weiters Notare Bittner, Sauberer und Schweinhammer an. Siehe auch Rechberger, Kreditsicherungsmittel – Wunsch und Wirklichkeit, Vortrag bei den 16. Europäischen Notarentagen
Salzburg, 23. April 2004, Seite 21, Schauer, Arbeitsgruppe „Register für Mobiliarsicherheiten“ – Abschluss der Tätigkeit und Empfehlungskatalog, NZ 2006/65 und Lukas Vom UNCITRAL Legislative Guide on Secured Transactions zu einem Mobiliarpfandregister in Österreich, ÖBA 2007, 262.

Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften abbauen bei GmbH und AG.

2.1. Wenn Mobiliar effektiv verpfändet werden kann, sind die meisten „gläubigerschützenden“ Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregeln hinfällig. Unsere Kapitalgesellschaften werden damit zu attraktiveren und weniger bürokratischen Vehikeln.

2.2. Mindestkapitalvorschriften sollen Gläubiger schützen, indem man jeden Unternehmer, der eine Kapitalgesellschaft gründet, zwingt, eine Mindestmenge an Eigenkapital (Stamm-, Grundkapital) bei Gründung aufzubringen.

2.3. Kapitalerhaltungsvorschriften sollen Gläubiger schützen, indem ohne formelle Gewinnverteilung oder Kapitalherabsetzung (mit langwierigem Gläubigeraufruf) dieses Mindesteigenkapital nicht an die Gesellschafter (Eigentümer, Investoren, Unternehmer) zurückgezahlt werden darf.

2.3. Damit sollen Gläubiger davor geschützt werden, Geld an ein Unternehmen zu vergeben, das keine Mittel hat oder dessen Mittel die Gesellschafter absaugen können. Es wird auch von „Seriositätsschwellen“ und „Verkehrsschutz“ gesprochen.

2.4. Gläubiger werden durch moderne und funktionierende Register und Pfandrechtssysteme für Mobiliar und Immobilien geschützt, nicht durch makroökonomisch ineffiziente Transaktions- und Partizipationshürden eines Unternehmens am Markt. Selbst zur Gänze einbezahlt sind EUR 70.000 oder 35.000 kein skaliertes Schutzsystem für Geldgeber. Hürden sind genau das.

2.5. Das Ziel ist ein System, wo jeder Geldgeber (von Bank bis Familienmitglied) die Wahl treffen kann, in welcher Position der Kapitalstruktur und mit welchem Risiko- und Ertragsprofil (vom ersten besicherten Rang im Fremdkapital bis zum letzten Rang im Eigenkapital) er in ein Unternehmen in jeder Phase des unternehmerischen Zyklus (Gründung, Wachstum, Börsegang oder Krise) investieren möchte. Dadurch wären unsere Unternehmen erstmalig attraktiv für dringend benötigtes Kapital.

2.6. Die notwendige Kombination von Mobiliarpfandregister und Abschaffung des ineffektiven Gläubigerschutzes durch Kapitalaufbringung und -erhaltung wird zusätzlich durch eine mit fachlichen und finanziellen Ressourcen aufgerüstete und leistungsgerecht entlohnte Wirtschafts- und Korruptionsjustiz und Wirtschaftsstraf- und Handelsgerichtsbarkeit unterstützt. Systemische und lukrative Fälle von Anleger-, Gläubiger und Finanzbetrug werden nicht durch Mindestkapital oder Kapitalerhaltung verhindert, sondern durch generalpräventive Performanz der Strafbehörden und Handelsgerichte.

Formvorschriften reduzieren.

3.1. Die überwiegende Mehrzahl der rechtlichen Formvorschriften sind archaisch und sinnentleert. Sie sind auch ökonomisch ineffizient.

3.2. Folgende der Allgemeinheit nicht dienenden Formvorschriften als Sondersteuern müssen beseitigt werden:

  • Notariatsaktspflicht bei Gründungen und Übertragung von GmbH Anteilen. Für den historischen Wirkungsbereich des Notariats im modernen Unternehmertum besteht weniger Bedarf als für reduzierte Partizipations- und Verkehrshürden.
  • Veröffentlichungspflichten im Firmenbuch (kostenpflichtige Veröffentlichungen im Amtsblatt einer Zeitung sind sachlich nicht gerechtfertigt).
  • Schriftlichkeit als Handschrift, Unterschriftlichkeit oder Faksimile. Wir leben im 21. Jahrhundert wo der Geschäftsverkehr überwiegende elektronisch und per Email erfolgt. Eine Unterschrift lässt sich ebenso wie ein Email fälschen. Moderne Systeme treffen klare Aussagen über den Wert von Email und PDFs beim Vertragsabschluss. Seit zwei Jahrzehnten funktionieren Closings im Milliardenbereich durch elektronisches Zirkulieren von Dokumenten, nicht durch logistisch unzumutbares Anreisen der Vertragsparteien.
  • Prospekt- und Bankkonzessionspflicht für kleine Emissionen bis zu EUR 1 Mio. Die Prospektpflichtausnahme von TEUR 100 sollte auf jenen Betrag erhöht werden, ab dem typische Transaktionskosten der Emission (darin des Prospekts) unter 10% der emittierten Summe fallen, somit auf mindestens EUR 1Mio. Es muss auch im Bankwesen deutlich klargestellt werden, dass Unternehmen gerne Fremdkapital aufstellen dürfen, um ihre unternehmerische Tätigkeit zu finanzieren. Es sollte keine Bankkonzession erfordern, wenn ein Unternehmen, das keine Bank sein will, sein Wachstum durch eine Form des Kapitals (Fremdkapital) anstatt einer anderen (Eigenkapital) finanziert.

Richtig besteuern

4.1. Alle Steuerpflichten sollten ein Wahlrecht erhalten, bei nicht liquiden unternehmerische Kapitalanlagen (Investition in GmbH und nicht notierte AG) zur Durchgriffsbesteuerung zu optieren, also als Gesellschafter einmal der Einkommensteuer, und unbedingt gezwungen sein, als Gesellschaft der 25% Körperschaftssteuer  und dann als Gesellschafter der 25% Kapitalertragssteuer (25 KöSt x 25% KESt). Damit sollten können sie Verluste zwischen Einkunftsarten ausgleichen und vortragen können. Die Wahl der Besteuerung wird pro Unternehmen einheitlich der Finanzbehörde gemeldet.

4.2. Denn es ist eine notwendige Bedingung für einen florierenden österreichischen privaten Kapitalmarkt, dass Investitionen skaliert, gestreut und diversifiziert werden können. Kapital wird für unsere Unternehmen erst zur Verfügung stehen, wenn Investoren in Früh-, Wachstums- und Risikophasen eines Unternehmens die Verluste (der meisten) Beteiligungen mit Gewinnen (der wenigen) ausgleichen können. Ein Geldgeber muss in 100 riskante Unternehmen investieren können, von denen 95 scheitern sollen, und 5 erst nach Jahren Gewinne erzielen. Dazu bedarf es eben des Verlustausgleichs und Verlustvortrags.

4.3. Insbesondere der kompetitive österreichische Clean-, Bio- und High-Tech Sektor können mit klugen Wahlmöglichkeiten für Investoren boomen. Das gesamte kleine und mittlere Unternehmertum profitiert von einem funktionalen privaten Kapitalmarkt.

4.4. Das Gebührengesetz ist obsolet und sollte zur Gänze aufgehoben werden. Die transaktionshemmenden und wirtschaftskulturellen Nachteile überwiegen weit die Steuereinkünfte. Die Kapitalverkehrssteuer von 1% des eingebrachten Gesellschaftskapitals ist archaisch und sollte ersatzlos gemeinsam mit der Abschaffung der Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften abgeschafft werden.

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